Interview mit Eden weint im Grab

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Mit ihrer aktuellen CD Nachtidyll hatten Eden weint im Grab meine Neugier geweckt. Eine Metalband, die mit Kammermusikern ihre Stücke neu einspielen? Was mag sich hinter dieser "harten" Fassade verbergen?
In einem Emailinterview stand mir Alexander Paul Blake für ein paar tiefsinnige Fragen zur Verfügung

GFN:  Seid gegrüßt Alexander!
Kannst du unseren Lesern zu Anfang erstmal etwas über dich und Eden weint im Grab erzählen? Wer ist alles in der Band?

Alexander: Eden Weint Im Grab ist nun seit 2004 Ausdruck meiner dunklen künstlerischen Seite. Wir bzw. ich haben in der Zeit fünf Alben veröffentlicht, wobei die aktuelle Veröffentlichung 'Nachtidyll – Ein akustisches Zwischenspiel', wie der Titel schon sagt, ein Akustikalbum ist, für das wir alte und neue Songs in ein kammermusikalisches Kleid verpackt haben. Normalerweise sind wir ja eher im morbide-poetischen Dark Metal zuhause – es sei denn wir vertonen gerade mal Georg-Trakl-Gedichte im Soundtrack-Gewand, wie auf 'Der Herbst des Einsamen' aus dem Jahr 2009.
Kurzum: Ich glaube, Eden Weint Im Grab sind immer für eine Überraschung gut, weil ich bedingungslos meiner künstlerischen Intuition zu folgen versuche.
Unterstützt werde ich von Zeus X. Machina am Schlagzeug und Marco Eckstein an der Gitarre. Unser zweiter Gitarrist, der jüngst zur Band gestoßen ist, heißt Motte, am Akustikset wirken zudem noch Geigerin Kathrin Bierhalter und Cellist Markus Freitag mit. Ein sympathischer Haufen ...

GFN:  Die Abkürzung für "Eden weint im Grab" lautet EwiG -  das ist ja ein super Wortspiel lächeln. War das Absicht? Oder woher rührt der Bandname?
Und fiel dir das mit der Abkürzung vorher ein oder kam das erst danach?

Alexander: Ich formuliere es mal ganz bescheiden: Das Universum hat mir diesen Namen eingeflüstert, damit wir ein Stück musikalische Ewigkeit in diese Welt bringen zwinkern Ich hatte gar keine Wahl, denn wenn das Universum flüstert, sollte man gehorchen. Ich deute den Namen so, dass das Paradies/Eden/Goldene Zeitalter nach wie vor nicht verloren ist, sondern nur darauf wartet, dass wir es aus seinem Grab befreien, denn solange es angesichts des Unheils hier oben noch weint, kann es nicht tot sein. Außerdem ist es dort unten so nass und kalt. Ist es da nicht egal, ob das Huhn oder das Ei zuerst da war lächeln?!

GFN: Soweit ich das lese, war EwiG zuerst ein Soloprojekt. Nun hast du eine "richtige" Band. Wer hat die Hosen an, oder bist du Demokrat^^?

Alexander: Auf der Bühne und im Proberaum haben wir alle Hosen an – ausnahmslos, denn ohne Hosen sieht das einfach nicht so schön aus. Das will auch niemand sehen, hoffe ich. Demokratie? Ich würde eher sagen, wir sind eine demokratische Diktatur, aber mit einem liebevollen, gütigen und verständnisvollen Diktator. Was soll ich auch sonst sagen? zwinkern Im Klartext heißt das, dass wir Konzerte, Termine oder andere Dinge, die alle betreffen, natürlich gemeinsam abstimmen. In künstlerischer Hinsicht behalte ich mir als Songwriter und Produzent aber das letzte Wort vor, damit die Vision dessen, was Eden Weint Im Grab ausmacht, nicht verwässert wird. Die Ideen der anderen Musiker sind nichtsdestotrotz stets willkommen und fließen auch in das Gesamtwerk ein. Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile.

GFN: Das Artwork bei Ewig liegt ganz in deiner Hand. Wie wichtig ist dir das Visuelle? Braucht Musik das Auge?EwiG4

Alexander: Ich persönlich finde, ja. Ich bin ein Kind der alten Schule und mag es, schöne, liebevolle Artworks zu durchstöbern, während ein Album läuft – auch wenn die User von iTunes und Co. das heutzutage scheinbar anders sehen. Für mich ist ein Album immer ein Gesamtkunstwerk, das idealerweise aus Musik, Texten und Grafiken besteht. Irgendwie lief es darauf hinaus, dass ich über die Jahre auch die meisten Artworks selbst gestaltet hatte, nicht weil ich mich darum gerissen hätte, sondern weil ich mich praktischerweise mit der entsprechenden Software auskenne und es sonst niemand machen wollte. Das schont das Budget, raubt aber auch viel Zeit, da ich auch hier Perfektionist bin. Künftig sind Kooperationen in diesem Bereich aber durchaus wieder denkbar.

GFN:  Textlich hast du einiges von Trakl benutzt (ein gern genutzter Dichter in unserer Szene). Was ist das besondere an alten Gedichten?
Ist es nicht "besser" selber etwas zu verfassen? So kannst du doch mehr von deiner "dunklen" Seite einfliessen lassen?

Alexander: Hier muss ich klarstellen, dass genau zwei Songs auf 'Nachtidyll' auf Trakl-Gedichten basieren – diese wiederum stammen aus dem Album 'Der Herbst des Einsamen', auf dem ausschließlich Trakl-Gedichte vertont wurden. Das hat meines Wissens noch keine andere Band gemacht. Und da 'Nachtidyll' ja Songs aus allen Alben enthält, blieben ein paar Trakl-Stücke eben nicht aus. Im Normalfall schreibe ich ausschließlich eigene Lyrics. Das Trakl-Album war einfach ein Experiment außer der Reihe und ein Tribut an einen der eindrucksvollsten Dichter, den es gibt, wie ich finde. Mich beeindruckt vor allem die große Nähe zur Natur in Verbindung mit oft wiederkehrenden Themen wie Verfall, Tod und Transzendenz sowie die Tatsache, dass man selten so richtig weiß, um was es konkret geht zwinkern

GFN: Die Tage erscheint "Nachtidyll - Ein akustisches Zwischenspiel". Ein wirklich gelunges Werk lächeln. Ich finde zwar auch die "Geyerstunde I" sehr gut, aber durch den Austausch der Instrumente und starken Sounds, treten die Texte und ihre Vieldeutigkeit besser in den Vordergrund. Wer hat alles an der Auswahl der Stücke mitgearbeitet? Gerade auf "Nachtidyll" tritt deine starke Stimme besonders in den Vordergrund. Was war der Anlass für diese CD?

Alexander: Eigentlich hatten wir nur ein Akustikkonzert in der TheARTer Galerie in Berlin zugesagt, weil ich diese Idee spontan spannend fand. Ich hatte vor der Zusage gar nicht groß darüber nachgedacht, und dann kostete es mich den gesamten Sommer, die Songs komplett neu zu arrangieren, denn wir schraddern sie nicht einfach nur auf der Akustikgitarre nach, sondern haben sie aufwändig neu konzipiert, inklusive mehreren Akustikgitarrenstimmen, Piano, Geige und Cello. Und nachdem ich schon mal dabei war, sie neu zu arrangieren, lag es auch nahe, sie gleich aufzunehmen, um sie für die Nachwelt festzuhalten. Letzten Endes wurden die Stücke dann so gut, dass wir sie nun gerne noch öfter aufführen möchten. Es macht in der Tat großen Spaß, sie in dieser Form zu spielen, da die Stimme so mehr Platz für Phrasierungen und Betonungen hat und die Musik besser atmen kann und intimer wirkt. Außerdem muss ich so nicht gegen die Band anschreien zwinkern.

CoverGFN: Ich habe gelesen, dass z.B. "Moritat des Leierkastenmanns" zu eintönig sein soll und fand deine Entgegnung, dass dadurch die "Endlosschleife" des Musikers besser in den Vordergrund tritt, perfekt als Antwort zwinkern Auf "Nachtidyll" ist das Stück nun nochmal "purer" - noch eindrucksvoller. Ist das ein Grund für die Auswahl?

Alexander: Jaja, die Geschmäcker ... man kann's nie allen recht machen. Für die einen ist es ein furchtbarer eintöniger Song, für die anderen ist dies der größte Hit der Eden-Weint-Im-Grab-Historie. So konnten wir ihn im Sinne beider Parteien schlecht weglassen zwinkern Es war aber eines jener Stücke, die sich am meisten geziert haben, sprich: Die Herausforderung, den Leierkastenmann anders, aber doch charismatisch klingen zu lassen, war groß. Die ersten Versionen waren zu nah am Original, später habe ich mich in abstrusen Interpretationen verloren, die gerade stimmlich einfach nur furchtbar klangen. Die aktuelle Version ist quasi der halbe Wege zurück und vereint beide Extreme. Dass du es noch eindrucksvoller findest, freut mich, gerade weil ich selbst mir lange nicht sicher war, ob die Nummer gut genug für das Album ist.

GFN: Wie sehr kann man mit Worten treffen? Ich finde durch bestimmte Texte und die Wortwahl kann man sehr spitze Nadeln setzen. Nutzt du das Werkzeug "Musik" um Mißstände aufzuzeigen? Sind deine Worte mahnende Zeigefinger?

Alexander: Na klar, Worte können die schlimmsten Waffen sein. Das dürfte jeder von uns im Zwischenmenschlichen schon erfahren haben. Songtexten wird zwar gemeinhin weniger Aufmerksamkeit geschenkt, aber das hindert mich nicht, viel Zeit, Liebe und Energie in sie zu investieren. Und natürlich erzählen wir nicht einfach nur morbide Geschichten, die meisten Songs haben durchaus einen doppelten Boden. Von mahnenden Zeigefingern möchte ich aber lieber Abstand nehmen, denn schöner ist es, wenn die Menschen die EwiGen Texte so lesen, wie sie sie lesen wollen. Ich habe die absolute Weisheit ja nicht gepachtet und mitunter haben die Texte noch weitaus mehr Bedeutungsebenen als mir selbst klar ist. Ein Thema, das z.B. allgegenwärtig ist, ist Spiritualität, denn wir beschäftigen uns nicht umsonst so viel mit Wesen aus einer jenseitigen Welt – letzten Endes wollen sie dem Hörer fast immer erzählen, "es gibt da noch mehr", auch wenn sie noch so modrig und verfallen daherkommen. Ähnlich wie Eden im Grab sind sie nicht tot, solange sie ihre Geschichten noch erzählen können. Ich betrachte unsere Musik als Brücke zwischen dieser Welt und all den anderen Welten, gespickt mit sehr viel Ironie und schwarzem Humor.

EwiG2GFN:  Wie schätzt du die Szene derzeit ein? Wir machen ja gerade eine starke Verjüngung durch. Kommen die "jüngeren" Zuhörer mit deinen Texten (und denen anderer Musiker) zurecht, oder tritt hier mehr die Gruppendynamik in Kraft?

Alexander: Verjüngung ist ja ein ständiger Prozess, in allen Szenen! Es ist schwer, dies allgemein zu beurteilen, denn ebenso wie es junge Menschen gibt, die sich primär aufgrund oberflächlicher Gesichtspunkte von der Schwarzen Szene angezogen fühlen und es als temporäre Phase ihres Lebens "durchmachen", gibt es auch welche, die die Musik von Gruppen wie Eden Weint Im Grab ernsthaft schätzen, sich damit beschäftigen und der Szene ihr Leben lang ein Stück weit verbunden bleiben. Ähnlich ist das bei mir, ich werde mit einem Bein immer in dieser Szene sein, vor allem weil ich dunkle Musik und Kunst generell liebe und sie für mich den tiefsinnigsten Ausdruck darstellen, den ich mir vorstellen kann. Jedoch erlaube ich mir, auch außerhalb von Szeneschubladen Musik zu hören und mich als kreativer Mensch überall dort zu bedienen, wo es mir beliebt. Mir sind generell Menschen lieber, die ihre eigene Identität entwickeln und nicht das nachplappern, was etwaige 'Szenepäpste' vorgeben. Nur so ist Weiterentwicklung möglich. Von daher bin ich vielleicht auch der falsche Ansprechpartner für Szenefragen, da ich diesbezüglich eine sehr liberale Einstellung habe. Auch die Frage, ob die jungen Hörer mit meinen Texten zurecht kommen, lässt sich nicht pauschal beantworten ... sowohl als auch, und wahrscheinlich auch nicht mehr oder weniger als ältere Hörer, die ja nicht automatisch reifer sind zwinkern

GFN: So nun haben wir auch schon den speziellen Teil der GFN Fragen erreicht zwinkern Wie du ja weisst, stellen wir bei GFN immer ein paar besondere familiäre Fragen.Hat EwiG Nachwuchs?

Alexander: Hier wäre unser ehemaliger Gitarrist Tammi der richtige Ansprechpartner gewesen, der schon zweimal erfolgreich Nachwuchs in die Welt gesetzt hat. Leider hat er sich aber auch wegen der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Band dazu entschlossen, uns zu verlassen. Beim verbliebenen Rest der Band und den Neuzugängen ist die Trefferquote noch deutlich geringer, um nicht zu sagen, nicht vorhanden ...

GFN: Wenn nicht, gibt es Nichten, Neffen, was denken die über eure Lieder?

Alexander: Neffen ... haben wir Neffen? Hm, nicht dass ich wüsste, und es ist gerade kein anderes Bandmitglied da, um mich zu korrigieren. Aber ich habe mir von einigen Eltern sagen lassen, dass sie unsere Musik ihren Kindern lieber (noch) nicht vorspielen, da sie Angst haben, dass wir ihnen schlechte Träume bereiten. Angesichts von Leierkastenmännern mit schlimmen Fratzen, Knochen zermahlenden Mühlen oder blutigen Ahnengalerien in obszönen Theatern kann ich das durchaus nachvollziehen. Ich sehe mich allerdings nicht als Kinderschreck, denn eigentlich bin ich ganz lieb – nur manchmal geht der Wahnsinn mit mir durch und dann passieren solche Dinge ...

GFN: Kann sich ein Alexander Paul Blake vorstellen, einen kleinen Prinzen aufzuziehen? Was wäre das Ergebnis? zwinkern

Alexander: Ich glaube, da sollte ich lieber mein bürgerliches Alter Ego ranlassen, denn wenn Alexander Paul Blake ein Kind aufzieht, würde dieses früher oder später dem Wahnsinn anheim fallen und statt in einem Gitterbettchen in einem Sarg schlafen müssen und die Spieluhr würde dissonante Melodien zur Mitternacht klimpern. Gewickelt wird es natürlich mit Leichentüchern und zum Einschlafen bekommt es Lieder von Burzum und Darkthrone gesungen. Zu derbe? Nun, Alexander Paul Blake ist nicht umsonst eine Kunstfigur, die sich bei Eden Weint Im Grab nach allen Regeln der – ähem – Kunst austoben darf und ansonsten besser im Verborgenen bleibt. Mein privates Alter Ego hingegen wäre ein sehr liebevoller, bewusst handelnder und verantwortungsvoller Vater mit großen Idealen, dem ich jeden 'kleinen Prinzen' bedenkenlos überlassen würde zwinkern Ich vermute, im Äther wartet schon die eine oder andere Seele darauf, in seine Obhut zu inkarnieren, aber noch lassen sie sich glücklicherweise Zeit, sodass derzeit alle Aufmerksamkeit auf unseren musikalischen Babys liegt ..."

GFN: Und last but not least. Ein paar direkte Worte an unsere Leser?

Alexander:  Ich habe kurz nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass alles seinen Sinn hat, denn Alexander Paul Blake ist dafür der bestmögliche Vater für die EwiGe Liederschar! Jeder sollte Kinder auf seine Weise groß ziehen und bislang hat sich unserer 'musikalischer Nachwuchs' noch nicht über eine zu schlechte Behandlung beschwert ... und auch wenn es nach einem Klischee klingt, meine musikalischen Babys werden hier mit genauso viel Liebe geboren wie all die anderen Babys. Der einzige Unterschied ist, dass sie mitunter nicht ganz so süß sind, aber mit 'Nachidyll' haben wir es, glaube ich, fast geschafft, einigen Zwillingen das Leben zu schenken, die man schon fast 'süß' finden kann ... Ich hoffe, das ergibt Sinn und bedanke mich bei allen, die bis zu dieser Stelle gekommen sind, für ihre Aufmerksamkeit.

GFN: Danke für das Interview!