Interview mit Oswald Henke

oh-les-004

Oswald Henke als Künstler des Monats? Hatten wir das nicht schon? Nein, weit gefehlt. Bisher hatten wir Goethes Erben und fetisch:Mensch, aber Oswald selber als Person und Mensch wurde noch nicht bei GFN vorgestellt. Ein Lücke, die wir nun schliessen wollen. Schließlich ist Oswald mit seinen Büchern und Kolumnen schon seid einigen Jahren unterwegs und zeigt mit Wortwitz und Wortschöpfung einige Mißstände auf ohne den drohenden Zeigefinger zu ergeben.
Passend zum neuen Buch "Zwischengeist" stellen wir ihm ein paar Fragen...

GFN: Die üblichen Fragen an den Anfang zu stellen, wer du bist und was du machst, ist irgendwie
schräg^^.  Deshalb vielleicht eher mal die Frage, wie viele Bücher hast du bisher veröffentlicht?
Was machst du als Autor noch nebenbei? Und wie kam der Gedanke, alles mal in Buchform festzuhalten?

Oswald Henke: „Zwischengeist" ist meine vierte Veröffentlichung als Buch. Ich bin eher „Nebenbeiautor", denn von dem, was man mit Büchern oder Kolumnen verdienen kann, könnte ich nicht einen Monat im Jahr meinen Lebensunterhalt decken. Das gelingt nur, da ich Lesungen mache, Konzerte gebe, Einnahmen über das Merchandise habe und
Tantiemen aus älteren Tonträgerveröffentlichungen bekomme. Zusätzlich arbeite ich noch als Markenberater für eine Streetwear-Marke. Durch all diese Tätigkeiten gelingt es mir, meinen Lebensunterhalt zu bestreiten und alle Einnahmen zusammen machen es mir überhaupt möglich, kreativ zu sein und ein Buch ist eine Form, seine Kreativität öffentlich zu machen.

oh-les-005GFN: "Zwischengeist" heißt dein neuestes Werk. Ist es nicht schwierig immer "zwischen" den Stühlen zu stehen?
 Gut, als Geist schwebt man über allem, aber ist auch nicht greifbar. Braucht nicht jeder Nähe und das Haptische?
Berührung ist doch wichtig, oder?

Oswald Henke: Ich bin kein Mensch, der grübelnd in einem Turm sitzt. Ich gehe eben nur mit offenen Augen durchs Leben, was ich erlebe, beobachte oder für mich analysiere, fließt in meine kreative Arbeit ein. Auch haptische Dinge schlagen sich in meiner Kreativität nieder. 
Ich habe den Vorteil, dass ich durch meine Unabhängigkeit sehr frei in meinen Entscheidungen bin, da ich keine Rücksichten auf Familie, Partner oder eigene Kinder nehmen muss. Wenn man die Verantwortung in einer Familie wahrnehmen möchte, dann kann man nicht mit der wirtschaftlichen Unsicherheit leben, die ich praktiziere. Dann
steht das Wohlbefinden der eigenen Kinder im Mittelpunkt und dann muss man sein Leben grundlegend umstrukturieren. Ich bewundere Menschen, die das können, ich war dazu nie fähig und es war in meinem Lebensplan auch nie vorgesehen. Aber ich bin begeisterter Pate und Onkel.

GFN: Das neue Buch ist etwas anders als die bisherigen Bücher... Wie siehst du das?
Als Weiterentwicklung oder "eigenständig anders"?

blackfield-155Oswald Henke: Stillstand wäre fatal, man muss sich als Mensch weiterentwickeln, auch in kreativer Hinsicht. So ist das Buch nur die logische Fortführung meines kreativen Schaffens. Manche Kapitel sind sehr düster geworden, aber mein Humor ist auch nicht abgestorben. Ein Buch ist - wie jede Veröffentlichung - auch ein Statusbericht über das kreative Schaffen.

GFN: Deine Gedichte sind (zum Glück) way off von deutscher Reimnorm. Diese Paarreime können ganz schön nerven (denke da an ein paar Texte vom Herrn ohne Haare...)^^. Trotzdem klingen deine Gedichte, wenn vertont, doch "rund", wie schaffst du das?

Oswald Henke: Ich konzentriere mich auf die Wirkung von Worten und auch darauf, wie sie gesprochen klingen, Metrik ist hier für mich ein wichtiger Punkt. Ich verdichte gerne, sprich aus einem Satz streiche ich alles unwesentliche heraus, auch Punkte, Kommas. 
Ich verdichte den Text. Gefühle sind da, und wenige Worte sollten auch dieses Gefühl vermitteln können, im besten Fall nur ein einziges Wort. Ich war noch nie ein Mensch, der lange um den heißen Brei redet und der 30 Seiten benötigt, um etwas zu beschreiben. Aus dem Grund werde ich wohl auch nie einen Roman schreiben. Ich mag es, wie einzelne Worte oder kurze Wortreihen wirken.

GFN: Versuchst du extra komplizierte bzw. selbsterdachte Worte zu benutzen?
Um die Leser zu verwirren oder um sie zum Nachdenken anzuregen? Mir hat mal jemand gesagt, dass die Nutzung von vielen dreisilbigen Worten Intelligenz verheißt zwinkern

HENKE-068Oswald Henke: Ich benutze die Worte, die mir am besten erscheinen, das auszudrücken, was ich gerne vermitteln möchte. Wenn es diese Worte nicht gibt, dann kommt es eben zum Akt der Wortneuschöpfung. Ich möchte Menschen nicht verwirren, sondern in der Tat dazu animieren, sich mit etwas auseinanderzusetzen, nämlich mit sich selbst, mit
seinen eigenen Gefühlswelten, die man nur zu gerne verdrängt.

GFN: GFN hat natürlich besonders der Elternratgeber interessiert. Das ist (hoffentlich) nicht ernst gemeint. Wobei ich befürchte, dass es viele Analogien gibt hier und da...

Oswald Henke: Die entscheidenden Sätze sind die letzten in diesem Text. Es geht nicht wirklich um Erziehung, sondern darum, Menschen passend zum Anspruch einer Gesellschaft zu verformen. Jeder Mensch mit Intelligenz wird somit auch verstehen, wie die Sätze davor gemeint sind, und alle anderen werden das Buch und somit diesen Text so oder so nie lesen. Also mache ich mir wenig Gedanken darüber, dass der Text falsch verstanden werden könnte

GFN: Wie siehst du die Lage der Nation? Hat die Jugend noch eine Chance? Oder versinkt sie in der Virtualität ?
Das "Second Life" gibt es ja schon lange, aber was passiert, wenn es zum "First Life" wird?

Oswald Henke: Die Zukunft sehe ich in sehr ungeordneten Verhältnissen. Ich denke Europa und die sogenannte westliche Kultur wird über ihre eigene Arroganz stolpern und sehr tief stürzen. Aber das wird nicht das Ende der Menschheit sein. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass sich sehr viel in den nächsten Jahren radikal verändern wird. Für ein paar Jahre wird in Europa eine dunkle Zeit anbrechen und das vermeintliche Gesetz des Stärkeren wird auf den Straßen regieren, aber eben nur einige Jahre, danach wird sich die Gesellschaft wieder auf Werte besinnen und das Spiel beginnt aufs Neue. Unsere Gesellschaft verroht, Anomie ist das böse Wort und es ist erschreckend und faszinierend, wie Menschen sich einem Mob anschließen, um Jagd auf dies oder das oder eben Menschen zu machen. Wir zeigen in Europa immer gerne auf andere, aber in Griechenland haben sich demonstrierende Menschen als Faschisten verkleidet, um gegen Frau Merkel zu demonstrieren, ich frage mich, was die Holocaustmaschinerie mit der Schuldenkrise zu tun hat, aber Menschen sind eben so, sie suchen den für sich einfachsten Weg und sehen nie ihre eigene Mitschuld am Geschehen.
Da die Zukunft glücklicherweise nicht festgeschrieben ist, hat die Jugend auch immer eine Chance. Es liegt an den jungen Menschen selbst, was sie aus ihrem Leben machen.

GFN: Du warst ja selber mal im sozialen Bereich tätig. Hast du noch "Old habbits"? Wenn ich so sehe, wie gut du mit Kindern kannst (siehe Amphi Bastelaktion auf dem Amphifestival 2012 bei uns am Stand), ist wirklich ein guter Pädagoge verloren gegangen. Oder nutzt du dein Wissen noch irgendwie? Ich bin ja auch aus dem sozpäd. Bereich und finde, dass man vieles nicht lernen kann, sondern dass das aus dir selber kommt...
 Wie siehst du das?

Amphi-079Oswald Henke: Ich bin kein Mensch, der Verantwortung für Kinder übernehmen möchte, aus dem Grund bin ich auch kinderlos geblieben. Aber ich mag meine Patenkinder und meine Neffen und auch die Kinder von Freunden. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die durch ihre Elternschaft letztlich ein Teil ihrer eigenen Individualität aufgeben, um für ihren Nachwuchs da zu sein. Aber ich weiß auch, dass Eltern das nur manchmal so empfinden, aber am Ende doch ihre Kinder als ihren eigenen größten Gewinn im Leben ansehen. Sie sehen sich in ihren Kindern weiterleben, ich hatte z.B. nie das Bedürfnis, meine Gene weiterleben zu lassen. Ich lebe ein Leben und dann hinterlasse ich nur das, was ich kreativ erschaffen habe. 

GFN: Wie kamst du eigentlich darauf, die Flieger für deine Tour von Kindern basteln zu lassen ?

Oswald Henke: Die Flieger wurden nur auf zwei Festivals von Kindern mitgebastelt, ansonsten muss das auf der Tour die Band machen oder Fans werden zwangsverpflichtet, wie zum Beispiel in Wien geschehen. Es war einfach eine spontane
Idee, weil mich eben Papierflieger an meine Kindheit erinnern und das Stück „Vergessen", bei dem diese Papierflieger ihren Einsatz finden, handelt davon, dass man als alter Mensch irgendwann vergisst, wer man ist... und welcher Erwachsene kann schon aus dem Stegreif einen flugtüchtigen Papierflieger bauen? Ich musste dazu auch erst einmal recherchieren... 

GFN:  Dann noch eine Frage direkt aus unserer Community: Wieso machst du so wenig Werbung für deine Bücher? Selbst auf der Lesereihe preist du sie nicht besonders an...

Oswald Henke: Ich bin kein Marktschreier. Ich habe die Bücher geschrieben und über einen Verlag veröffentlicht. Wer sich für ein Buch interessiert, kann es kaufen, aber ich habe nicht das Bedürfnis, Menschen zu überreden, etwas zu kaufen. Ich freue mich über jedes Buch, das gekauft wird, und bei meinen Lesungen und auch den nächsten Konzerten wird das Buch erhältlich sein, aber ich finde, wenn einem Menschen etwas gefällt, dann findet er auch das, was er wirklich möchte, von sich aus. Zumindest hoffe ich das.

GFN: Danke für das Interview.

   

Newsflash GFN  

   

Triff uns auf