Interview mit Roter Sand Band des Monats Dezember 09

rotersand-kl-001Auf dem Blackfield 2009 wurden Roter Sand schon mit Heimvorteil gefeiert. Mit ihrer aktuellen CD hat die Band noch einen drauf gesetzt.
Wir als quasi geografische Nachbarn, namen dies als Anlass ein paar Fragen los zu werden...

GFN: Hallo Rotersand! Euch gibt es bereits seit 2002 und daher seit ihr nun wirklich keine unbekannte Größe.. Dennoch, stellt euch doch mal bitte kurz vor und erklärt uns noch mal die Herkunft eures ungewöhnlichen Bandnamens !

Roter Sand: „Roter Sand", ein uralter stählerner Leuchtturm, weit draußen in der Nordsee. Unentwegt der Kraft der Elemente ausgesetzt, weist er vorbeifahrenden Schiffen den Weg, einsam und doch erhaben. Es gab im Fernsehen eine alte schwarz-weiß Dokumentation über das Leben der Leuchtturmwärter auf Roter Sand, einem Leuchtturm in der Nordsee, weit draußen in der Wesermündung. Wie die alten Herren mit ihren von Wind und Wetter gegerbten Gesichtern von Einsamkeit da draußen sprachen, aber auch von der Sehnsucht nach Weite und Unabhängigkeit, wenn sie nach zweiwöchiger Schicht auf dem Festland waren. Das hat mich sehr beeindruckt. Hinzu kamen die Bilder und der Sound der manchmal sehr hohen Wellen, die gegen den Stahlzylinder des Leuchtturms prallen - dieses Trotzen der Urgewalt des Meeres, um dann plötzlich wieder in der friedlichen Stille nach dem Sturm zu sein. Das ist alles sehr inspirierend. Diese Gegensätze, diese tief ausgeprägten Extreme in den beschriebenen Gefühlswelten, das alles passte irgendwie zu unserer Vorstellung von Musik, wie wir sie gern machen würden. Einen Song wie Merging Oceans gab es da bereits sogar schon in rudimentärer Form.

GFN: Mit dem neuen tollen Electropop/Crossover-Album "Random Is Resistance" (s. auch Besprechung in CD-Tipps 11/09!) habt ihr bereits euer 4. Album veröffentlicht, zu diesem gab es im August sogar schon die EP "War On Error" als Vorbote. Was meint ihr genau mit dem Titel des Albums, worauf zielt das ab - Zufall ist Widerstand..?

Roter Sand: Wir werden immer mehr zu Batterien in einem sich selbst erhaltenen Medien- und Kommerzsystem. Wir befeuern dieses System mit jeder Menge Informationen über uns selbst, unsere Vorlieben, unsere Neigungen, unserer Persönlichkeit, alles in allem sehr viele sehr private Details, die diesem System helfen, noch zielgruppenschärfer Produkte zu entwickeln und zu vermarkten, die wir dann wiederum noch bereitwilliger zu konsumieren bereit sind. „They show you stars to make you cheer, the give you news to fan your fear, and in between you disappear – a world without you:" ("A million Worlds to loose" Rotersand, "Random is Resistance") Dieses imaginäre uns beherrschende Medien- und Kommerzsystem fürchtet nicht mehr als die Irregularität, den Fehler, den Zufall, das Unberechenbare, das Individuelle und darum wird Zufall, Fehler oder Individualität als Widerstand gewertet. Eine Aufforderung für uns mit Individualität, Widerstand zu leisten.

rotersand-kl-002GFN: Das Album strotzt vor Sozialkritik, kritisiert die Informationspolitik in den Medien, den sorglosen umgang mit unseren persönlichen Daten im Internet. Ihr seid politisch sehr stark interessiert und kritisch?

Roter Sand:Eigentlich doch nur so sehr es jeder sein sollte, damit unsere Demokratie immer besser wird, oder?GFN: In dem Zusammenhang paßt natürlich direkt der Auftakt eures Albums, was einen musikalisch ja fast erst etwas in die Irre führt (toller Schachzug, so horcht man auf zwinkern. Der Opener "Yes we care" klingt unheimlich nach Pink Floyd und dem ebenfalls sehr sozialkritischen "The Wall", es ist glaub ich "Comfortably Numb", oder? Wie seid ihr denn auf diese Idee gekommen?

Roter Sand: Wir machen uns ja von Anfang an einen Spaß daraus, unsere Liebe zu Pink Floyd so offensichtlich und augenzwinkernd mit einem Stück auf jedem Album auszuleben. Es war Gun der einmal sagte, dass ich wohl als Kind in ein Fass mit zu viel Pink Floyd gefallen sein muss, ebenso wie Obelix als Kind in den Zaubertrank fiel.GFN: Ihr verwendet hier auch am Ende das Zitat "Yes we can". Seid ihr nicht so überzeugt vom viel umjubelten Barrack Obama oder dem Regime hinter ihm?

Roter Sand: Wir sagen „Yes we care" und es ist das zitierte Medien- und Kommerzsystem, das hier vorgibt, sich schon um jeden zu kümmern... Was Obama angeht können wir uns weit mehr mit dieser Regierung als mit der Bush-Tyrannei identifizieren. Aber wie Obama's Bemühen um eine Verbesserung des Themas Krankenversicherung in den USA zeigt – und wie es Michael Moore so typisch großartig aufgezeigt hat – ist es sehr schwierig, den Dreck aus den Jahren der Bush-Korruptionswirtschaft abzutragen.

GFN: Nach diesem etwas getragenen intensiven Einstieg reihen sich musikalisch eine tanzbare Electro-Perle an die andere, auch die allgemeine Medienkritik zum neuen Album ist ja hervorragend (checke das immer nachdem ich was geschrieben habe, ist dann ja auch Selbstbestätigung *grins*). Macht euch das stolz oder habt ihr irgendwo schon damit gerechnet?

rotersand-kl-003Roter Sand: Ja, das macht uns natürlich stolz und dankbar. Wir haben das gehofft und haben ja selbst vor Veröffentlichung immer wieder postuliert, dass es unser bisher bestes Album nach unserem Geschmack ist. Wenn das dann auch bei anderen so gut ankommt, ist man natürlich sehr happy. Aber es ist auch sehr, sehr viel Arbeit und wir machen das ja sozusagen im Nebenberuf.

GFN: Neben dem Opener haben sich mir vom Text her irgendwie 2 Songs besonders eingebrannt. "Waiting to be Born" und "Gothic Paradise", beides eher ruhigere Stücke. Könnt ihr hier etwas zu dem Hintergrund der Lyrics erzählen? "Waiting To Be Born" finde ich traurig-melancholisch, "Gothic Paradise" dagegen eher etwas zynisch?

Roter Sand: „Waiting to be born" erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das darauf wartet, dass ihr Leben endlich anfängt und sie sich von den Schatten ihrer Vergangenheit befreit. Der Song beschreibt sie in genau dem Moment, in dem sie das erste mal empfindet, dass sie die unsichtbare Mauer in ihr eigenes Leben durchbrechen kann. „I close my eyes to my illusion, I turn away from all I´ve left behind, I kill the pain and my confusion, I´m not dying anymore, I´m waiting to be born." (Rotersand, Waiting to be born", "Random is Resistance") „Gothic Paradise" nimmt etwas augenzwinkernd die zunehmende Oberflächlichkeit und das sich immer mehr zum Selbstzweck werdende Düstermarketing in unserer Szene auf´s Korn. All die Schlagerbands, die einzig durch ihr Marketing und ihren Kajalstrich zu Düsterbands werden - das ist zumindest auch lustig.

GFN: Ihr seid kürzlich auf Tournee mit VNV Nation gewesen, kanntet ihr euch schon vorher? Wie lief die Tour für euch, eigentlich sollte das VNVlern ja auch gut gefallen haben ?

Roter Sand: Ja, das war für alle Beteiligten sehr gut. Die meisten Dates waren ausverkauft.

GFN: Oft wird ja eine stimmliche Ähnlichkeit von Rasc zu Ronan Harris hervorgehoben. Nervt das eigentlich? Dafür kann er ja schließlich nix, ist im Gegenteil ja auch nicht gerade ein Makel !?

Roter Sand:: Das habe ich ehrlich gesagt noch nie gehört. Ich singe in jedem Fall so seit den 80igern als Ronan noch in kurzen Hosen seine Klavierlehrerin bewundert hat .Ich bewundere Ronan für sein Songwriting und seine Gabe Emotionen mit Musik sehr leidenschaftlich auszudrücken und zu verkörpern, mein nie zu ereichendes Gesangsidol allerdings ist bekanntermaßen Peter Murphy. Als „Merging Oceans" herauskam, dachten einige es sei Tom Shear, der singt. Ob ich Peter Heppner Fan sei, wurde ich auch schon einmal gefragt, aber Ronan? Na ja, so lange keiner sagt, ich klinge wie das Krümelmonster oder Howard Carpendale, ist mir das alles total egal. Ich halte es dahingehend sowieso eher mit Dave Gahan, der mal gesagt hat „I can´t sing but I´ve got soul".

rotersand-kl-005GFN: Ich bin ganz überrascht, bei der Recherche fürs Interview hab ich erst festgestellt, euer "Bandhauptsitz" ist Gelsenkirchen (also für mich quasi "um die Ecke")? Und Rasc und Gun sind eigentlich seit Anbeginn mit "The Fair Sex" eng verbunden? Daher auch einige brachialere Anleihen in den Songs, oder ?

Roter Sand: Darum auch einige brachiale Momente bei „The Fair Sex" damals 1863...

GFN: Basis unserer Seiten ist ja die Gothic Family Community, hier treffen sich Eltern, die trotz Kinder ihren Lebensstil nicht komplett verändern möchten - aber im Idealfall natürlich berücksichtigen, das die Kinder Vorrang haben, man diese auch nicht zu kleinen Minigoths zurechtzüchten darf. Habt ihr selber auch Kinder, Familie? Wie geht ihr damit um, Musikerleben, Lifestyle und Familie? Kennt ihr auch Anfeindungen aus eurem Umfeld?

Roter Sand: Nein, wir sind noch kinderlos. Mal gucken, was da noch kommt. Noch kriegen wir ja alle einen hoch. Nein, Anfeindungen gar nicht, ich freue mich immer, wenn der EBM Nachwuchs mitgebracht wird. Da gab es schon ganz tolle Szenen und bemerkenswerte Fotos nach Konzerten. Wir haben tatsächlich auch ganz, ganz junge Fans, wie wir manchmal bei Konzerten erfahren, die sich aus Mamis Plattensammlung tatsächlich Rotersand ausgesucht haben und uns toll finden. Kinder haben eben einen unverdorbenen guten Geschmack. Außerdem singt ja auch Meister Propper persönlich.

GFN: In Kürze ist wieder Weihnachten, das Jahresende rückt heran. Seid ihr in irgendeiner Form religiös, habt ihr eine Art von Glauben?

Roter Sand: Wir glauben vor allem an das Gute im Menschen und das es einen höheren Sinn unseres täglichen Handelns und Wirkens gibt und geben sollte.

rotersand-kl-007GFN: Zum Schluss Zeit für ein persönliches Statement - wie gesagt rückt ja auch schon das Jahresende heran, könnt also gerne ein Jahresfazit ziehen oder so...

Roter Sand: Wir wünschen allen Lesern dicke Eier und eine tolle Weihnachtsfrau. Allen Leserinnen wünschen wir ihr Edward Exemplar unterm Weihnachtsbaum.

GFN: Lieben Dank für eure Zeit, wünsche euch viel Erfolg mit dem neuen Album und hoffe euch im kommenden Jahr dann wieder live zu sehen!

Roter Sand: Auch danke und alles Gute auch für euch.

Roter Sand im Web: http://www.rotersand.net
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